Oertel geht, Pegida abgesagt, die Bürger bleiben.
Es wirkt wie die Inszenierung eines Films mit ein bisschen Happy End für die Hauptdarsteller. Die Crew um Kathrin Oertel verläßt die MS PEGIDA. Nicht etwa weil das Schiff schon mehrere Eisberge des guten Geschmacks, des Anstandes oder der Moral gestreift hat und nun unterzugehen droht. Nein, daran liegt es nicht. Sie soll ganz einfach versenkt werden. Als die MS PEGIDA den Hafen in Dresden verließ, wusste sie nicht so recht welchen Hafen sie nun ansteuern sollte. Sinn suchend und allein auf offener See im Wechselbad der nationalistischen Gefühle.
Oertel entschied sich den Kahn endgültig zu versenken. Die AfD, die ihren Anteil an dieser Entscheidung haben dürfte, freut es. Denn nun müssen sie kein braunlackiertes Schiff mehr in den Hafen der AfD einlaufen lassen. Das würde auch der eigenen Klientel nur begrenzt schmecken. Das Resultat: Die AfD wird Rettungsboote schicken, um die Hauptakteure und deren „bürgerliche Anliegen“ sicher in den eigenen Heimathafen zu bringen.
Ein Ende also, das schon länger geplant war, wenn man sich nur an Oertels und Bachmanns Worte erinnert, dass es nicht Ziel von PEGIDA sei, jeden Montag weiter auf die Straße zu gehen. Oertel und Bachmann, beide mit den (nicht erahnten) Herausforderungen hemmungslos überfordert, brauchten eine Exit-Strategie. Frauke Petry und Alexander Gauland von der AfD kamen da wie gerufen. Schließlich waren sie es, die PEGIDA stets gegen jede Kritik verteidigten.
Als Berater von PEGIDA, wie Oertel die AfD einmal nannte, liegt nun die Vermutung nahe, dass auch sie schon frühzeitig von der Orientierungs- und Hilfelosigkeit des Organisationteams wusste und helfend zur Seite stand, um eine Exit-Strategie zu entwickeln. Wohin und was tun mit tausenden von Bürgerinnen und Bürger die jeden Montag auf die Straße gehen, um gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes zu demonstrieren? Auf diese Frage konnte keine Antwort gefunden werden, so dass ein Streit der Organisatoren (den es unter Umständen auch so gab) zur Folge hatte, auf diese unbequeme und schwierige Frage antworten zu müssen.
Die AfD freut’s – schärft es doch ihr populistisches Profil als „Stimme des ungehörten Volkes“. Sie wird fortan die Fragestellungen und den Geist von PEGIDA parlamentarisch und parteipolitisch weiter verbreiten. Man möchte an das Wählerpotential ran, das sie in den Unorganisierten der PEGIDA sehen. Welchen Kurs die AfD dabei einschlägt, wird auf dem Bremer Parteitag zu beobachten sein.
Aber geht der Plan auf? Lassen sich die unorganisierten Bürgerinnen und Bürger Dresdens wirklich so leicht und plump an eine Partei binden, wo doch viele von ihnen auch gegen Politik und Parteien auf die Straße gegangen sind?
Fest steht, dass die AfD im besagten Klientel eindeutig punkten konnte, da sie treu ergeben immer zu den Demonstrierenden hielt, und dem „einfachen Bürger aus dem Volk“ mal zugehört hat.
Fest steht aber auch, dass genau jetzt der Zeitpunkt ist, an dem die demokratischen Parteien in Sachsen – allen voran die CDU – zeigen müssen, wie wichtig ihnen die Bürgerinnen und Bürger wirklich sind.
PEGIDA hat viele Bürgerinnen und Bürger wieder frei gegeben, die sich gerade (re)politisierten. Der Kampf um die Unorganisierten geht in die nächste Runde. PEGIDA hat gezeigt, dass es eine kritische Zahl von Bürgerinnen und Bürgern gibt, die unzufrieden sind. Es ist jetzt an der CDU-geführten Landesregierung des Freistaates geeignete und nachhaltige Partizipations-, Dialog- und Demokratisierungsformen (auch im Kampf gegen Rechtsextremismus) zu finden, die dabei helfen, die Integrationsbereitschaft (in die sich modernisierende Welt) der Sachsen zu erhöhen. Es braucht aber mehr als den blinden Aktionismus der Herrn Tillich und Ulbig, um die Ursachen von PEGIDA zu bekämpfen, wie ich bereits in einem anderen Beitrag schrieb.
Gleichzeitig aber soll betont bleiben, dass auch die Bürgerinnen und Bürger ihrer eigenen Rolle gerecht werden müssen und verstehen, dass nur gehört werden kann wer seine auch Interessen auch artikuliert.
Fest steht für die Zukunft: Einen erneuten Kniefall vor PEGIDA deren Ableger oder deren Anhängern darf es genauso wenig geben wie Zugeständnisse bei Vielfalt, Demokratie und Weltoffenheit. Die Aussage des Ministerpräsidenten – der Islam gehöre nicht zu Sachsen – war ein solcher Kniefall vor den Erpressern der Demokratie. Tillich und Ulbig haben sich den Forderungen einiger tausender Sachsen hingegeben, nur weil diese am lautesten Skandierten. Sie übergingen damit die Mehrheit der Sachsen, die ein weltoffenes Bundesland will.
PEGIDA ist tot, doch noch nicht vorbei. Aus ihr können wir aber schon jetzt lernen. Nicht in dem wir ihren Forderungen nachgeben, wohl aber dadurch, dass wir versuchen zu verstehen wie sie entstehen konnte. Vielleicht ist sie ja wirklich nur eine Kinderkrankheit einer noch jungen Demokratie, aber umso wichtiger ist es, dass wir alle versuchen die Gesundheit unserer Demokratie zu erhalten.
Es lohnt sich.