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Der #Troll in uns – Über den sozialen Mangel in sozialen Netzwerken.

Was haben die Ukrainekrise und die X-Gida-Bewegungen gemeinsam? Es sind wohl die Themen die in letzter Zeit am meisten zu zahlreichen Auseinandersetzungen geführt haben; im Privaten oder aber auch in den sozialen Netzwerken. An dieser Stelle muss die Anmerkung erlaubt sein, dass mir die sozialen Netzwerke bisweilen durchaus den Anschein vermitteln, als wäre das Soziale in ihnen abhanden gekommen. Immer wieder kommt es z.B. auf Facebook und Twitter zu Hasstiraden und Wortgefechten, die jeder Form des zwischenmenschlichen Umgangs entbehren.

 

Der Troll in uns. 

Um es gleich vorweg zu stellen: Der Troll steckt in jedem von uns. In dem Einen mehr, in der Anderen weniger; aber er steckt in uns. Als Troll werden in der Netzwelt diejenigen Nutzerinnen und Nutzer verstanden, die immer wieder auf unkonstruktive und provokante Art und Weise versuchen, ihre Gegenüber in Misskredit bzw. auf die scheinbar schlechtere Argumentationsbasis zu bringen. Hiervon erhofft sich der Troll Likes, Favorisierungen und einen kurzen Moment des Ruhms. Und wenn wir ehrlich zu uns sind: Der Troll kam schon in jedem von uns zum Vorschein.

Doch warum bietet gerade das Netz die Voraussetzungen zum Trollen und liegt der Grund hierfür wirklich nur an der immer wieder vielbenannten Anonymität des Internets? Es gibt für mich 3+1 Faktor(en), die man betrachten muss, um einer Erklärung näher kommen zu können. Diese leite ich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aus meinen bisherigen Beobachtungen der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter her.

 

In drei Schritten zum Troll.

Den ersten Faktor mache ich in der Brisanz des Themas im gesellschaftlichen Kontext aus. Je polarisierender das Thema, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ebene erreicht wird, in der Sachargumente nicht mehr zählen, sondern nur noch die Emotion oder das Rechthabenwollen. Die Ukrainekrise bildet hierbei ein gutes Beispiel: In den sozialen Medien gab es nur zwei wahrnehmbare Positionen: entweder Pro-Russisch oder Pro-Amerikanisch. Der Konflikt war vorprogrammiert: Trolls aller Seiten vereinigten sich im Kampf gegeneinander. Verschärft wurde dies noch durch die aufgeheizte Stimmung zwischen den Konfliktstaaten, was zur weiteren argumentativen Eskalation im Netz führte.

Dies bringt mich zum zweiten Faktor: Der Grad der Anonymität und dem Verhältnis zwischen Nutzerinnen und Nutzer. Je unbekannter sich die Gegenüber sind, desto weniger werden sie sich qualitativ mit den Gegenargumenten befassen. Je bekannter jedoch, desto höher ist die Chance eine sachliche Debatte führen zu können. Dies hat vor allen Dingen auch etwas mit persönlicher Wertschätzung zu tun.

Als dritten Faktor sehe ich das Umfeld, in dem man sich bewegt. Je homogener ein Freundeskreis bzw. die Followerschaft z.B. im Feld der Politik, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein bipolares Denken entsteht, da man aus dem eigenen Umfeld immer wieder Beifall und Zustimmung erntet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein heterogener Freundeskreis bzw. eine heterogene Followerschaft in den sozialen Medien diese Gefahr verringern kann, da auch regelmäßig andere Meinungen verarbeitet werden können auch wenn sie nicht in die eigene Argumentation passen. Es entsteht also eine standortgebende Wahrheit, die die Wahrheit anderer Standorte nicht nachvollziehen kann, da sie diese nicht bereit sind einzunehmen, da sie sich in unterschiedlichen Milieus bewegen.

 

Gesagt, getan? Posten ist das neue Tun.

Einen Aspekt möchte ich jedoch hiervon gesondert anführen. Eine meiner oft gemachten Beobachtungen ist die, dass viele Nutzerinnen und Nutzer – unabhängig ob Troll oder nicht Troll – das Posten und Twittern von Beiträgen mit konkreten Handlungen verwechseln. Konkret heißt das, dass die Handlung des Verfassens von Beiträgen mit der Handlung des im Beitrag beschriebenen Inhalts gleichgesetzt wird. Dieses „handlungsersetzende Schreiben“ führt zu einer (je nach Mischung der bereits oben angeführten Faktoren) Vermischung der sozialen Netzwerke und der realen Welt, was später Phänomene wie die X-Gida-Bewegungen zur Folge erklärt.

 

Und nun?

Dieser Beitrag soll nur ein kleiner Versuch sein, zu erklären wie wir derzeitig in sozialen Netzwerken miteinander umgehen und welche Folgen dies haben kann. Ich glaube nicht, dass wir andere davon überzeugen können, anders in den sozialen Netzwerken miteinander umzugehen. Wir können aber bei uns anfangen, indem wir manche Debatten nicht weiterführen, wenn sie uns zu blöd werden, indem wir lieber lösungsorientiert handeln statt konfliktorientiert posten und twittern und den Troll einfach unerwidert ins Leere laufen lassen.

Eine goldene Regel der sozialen Netzwerke ist nach wie vor: Never feed the troll. Ergänzen will ich diese Regel jedoch noch um die Anmerkung, dass man einem Troll nicht sagen sollte, dass er einer ist, denn auch das füttert ihn.