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#2 DANKE RESTAURANTS & CAFÉS

In Belgien sind seit Samstag alle Cafés und Restaurants geschlossen. Diese von der belgischen Regierung getroffene Maßnahme trägt dazu bei, die Ausbreitung des Corona-Virus’ nicht noch rasanter ansteigen zu lassen und wird bis Anfang April umgesetzt. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen es darauf ankommt, den sozialen Kontakt auf das Nötigste zu begrenzen, erfahren wir wie wichtig uns der Austausch untereinander ist. Die Schließungen von Cafés und Restaurants vergegenwärtigt uns dabei, welch wichtige, gesellschaftliche Aufgabe sie erfüllen.

Nicht Fisch, nicht Fleisch: halböffentlich

Warum wir ins Restaurant gehen, kann viele Gründe haben: Ein Arbeitsessen zum Mittag, ein Wein oder Bier mit Freunden, einen Kaffee beim Date, geliebte Familienfeiern oder aber auch die pure Freude am Genießen. Betrachtet man die gesellschaftliche Funktion von Restaurants, so bilden sie Halb-Öffentlichkeiten und einen, für uns nicht mehr wegzudenkenden, Übergang zwischen der Öffentlichkeit und dem Privaten. Wer also ein Restaurant aufsucht, möchte sich zurückziehen und seiner Begleitung die Aufmerksamkeit, in verschiedenen Formen, entgegenbringen ohne dabei zu aufdringlich zu wirken oder die private, schützenswerte Rückzugszone zu offenbaren. Ein angenehmer Nebeneffekt: Man wird bei der Getränke- und Essenauswahl beraten und sich um nichts kümmern.

Was wir bestellen

Welche Speisen wir dann im Restaurant wählen hängt von der jeweiligen Situation ab. Mit der Wahl unseres Gerichtes im Restaurant kommunizieren wir auch zu unseren Partnerinnen und Partnern am Tisch und mitunter auch zu den anderen Gästen. Während die Wahl beim Arbeitsessen wohl auf eine, den Appetit sättigende, unprätentiöse Variante fallen dürfte, sieht die Wahl des Essens bei einem Date schon anders aus. Der Eindruck den wir unserer Begleitung hinterlassen wollen, steht über dem was wir für gewöhnlich wählen würden. Weder als gefräßig, noch als appetitlos will man gelten. Doch gleichzeitig will man der anderen Person bedeuten, was man sich im Stande ist zu leisten; man möchte imponieren und demonstrativen Konsum üben. Die Wahl des Gerichts verrät somit schon viel über die aktuellen und generellen Gegebenheiten der Person, mit der wir ausgehen.

Erziehung am Küchentisch?

Natürlich gibt es viele Faktoren in einem Restaurant, über die wir etwas über unsere Gegenüber lernen können. Ich meine, es war der New Yorker Journalist Michael Pollan der in seinem Buch „Kochen“ darüber schrieb, dass Erziehung zum großen Teil am Esstisch stattfindet. Demnach kann uns also auch das Essverhalten viel über eine Person verraten. Denken wir einmal an unsere Kindertage und die zahlreichen Ermahnungen der Großeltern, Eltern oder des Personals im Kindergarten, dann verstehen wir, dass Pollan damit nicht falsch liegt. Dabei kommt mir in den Sinn, dass wir kleine, noch junge Menschenkinder, die wir damals waren, im Kindergarten sollten wir mal auf den Tisch gekleckert haben, unsere kleinen gelben Plastikteller auf den Fleck stellten, um dem Ärger mit der Erzieherin zumindest für den Moment zu umgehen. Darin herrschte so etwas wie common sense in unserer Gruppe. Allerdings waren schon damals diejenigen unglaublich beliebt, die lauthals die Erzieherinnen auf die, für uns missliche, Lage hinweisen mussten. Immerhin gab es für diese Person damals den gleichen Rüffel wie für die reuelosen Klecker-Täter: „Man petzt nicht und man kleckert nicht“. Es ist also was dran an der Sache mit der Erziehung und dem Esstisch.

Konzepte

Wenn wir uns in Cafés oder Restaurants zurückziehen, dann wollen wir nicht nur aus der Öffentlichkeit heraus-, sondern auch in einen anderen Kosmos eintreten. Je nach Stimmung und Intention treffen wir so die passende Wahl. Will ich Artikel schreiben, ein Buch lesen, einen Kaffee oder Glas Wein trinken, Menschen beobachten und meine Gedanken schweifen lassen, werde ich dafür ein entsprechendes Café wählen. Cafés, im Unterschied zu Restaurants, kann man im Übrigen auch ohne Begleitung aufsuchen. Natürlich soll es niemanden hindern alleine ins Restaurant zu gehen, doch wie ich bereits schrieb, ist ein Restaurantbesuch immer auch eine Art der Kommunikation. Und mit Freunden oder Familie im Restaurant oder Café zu sitzen ist doch oft auch schöner. Vom Hipster-Café bis zum traditionellen Kaffeehaus bieten sich hierfür viele spannende Cafés an. Die meisten davon haben dabei ihren ganz eigenen Charme und sprechen dabei unterschiedliche Zielgruppen an. Meistens.

Wow, Café Flora!

Überrascht zeigte ich mich von einem Konzept, das ich so bisher erst in Saint-Gilles in Brüssel wahrgenommen habe. Das Café Flora erscheint auf den ersten Blick wie ein neumodernes Hipster-Café, wie es sie zur Zeit viele gibt. Doch der zweite Blick verrät ein raffiniertes Konzept. Die Gestaltung ist, im positiven Sinne, schrill und lebendig, findet aber durch Stuckwände einen klassischen, gediegenen Rahmen, für die der belgische Innenarchitekt Lionel Jadot verantwortlich ist. Die Einrichtung und die Getränke- und Speisekarte gehen dabei Hand in Hand. Die Karte wechselt saisonal, ist übersichtlich, doch gleichzeitig vielfältig, und bietet (Tageszeit begrenzt) die perfekte Auswahl für Frühstück, Mittag- und Abendessen. Das trägt zur guten Durchmischung des Alters bei, über das ich mich am meisten erstaunt zeigte. Das Café Flora schafft es mit einem ausgeklügelten Konzept Menschen jeden Alters für sich zu gewinnen, bietet raffinierte Speisen zu einem fairen Preis und wurde im Jahr 2019 mit dem Venuez Hospitality Award Best Bar/Cocktailbar von Bacardi ausgezeichnet. Ein stimmiges Gesamtkonzept!

Danke Restaurants

Kurzum: Restaurants und Cafés kommen in unserer Gesellschaft somit wichtige Funktionen zu. Sie bieten Orte des Rückzugs, des Genusses und des sozialen Austausches. Zu selten vergegenwärtigen wir uns dieser Umstände und vergessen dabei, dass sie zu den wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen gehören, die unser Zusammenleben so viel angenehmer machen, es entschleunigt und befriedet. Das Alltägliche beginnen wir meist erst dann zu schätzen, wenn es uns fehlt. Einen herzlichen Dank also an alle Köchinnen und Köche, Kellnerinnen und Kellner, Betreiberinnen und Betreiber für die gesellschaftliche Funktion, die eure Arbeit ausübt.

Hier geht es zum ersten Teil meiner Serie übers Kochen – Kochen ist Respekt.